2xBerlin: Regulierung, Wirtschaftlichkeit und gesellschaftliche Wirkung
- Gunnar Gombert STRATEGY CONSULTING

- vor 7 Tagen
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Gunnar Gombert vor Ort: Der Tag in Berlin bot zwei aufeinanderfolgende Veranstaltungen, die sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit den zentralen Fragen der heutigen Immobilienwirtschaft beschäftigten. Am Nachmittag richtete der gif-Researchtag 2025 an der HTW Berlin den Fokus auf politische Rahmenbedingungen und wirtschaftliche Tragfähigkeit. Am Abend folgte im Hotel Oderberger die Veranstaltung des Instituts für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG), bei der es um Social Impact, Gemeinwohlorientierung und verantwortungsvolle Entwicklung ging. In der Gesamtschau ergab sich ein überraschend konsistentes Bild einer Branche, die an der Schnittstelle aus Regulierung, Wirtschaftlichkeit und gesellschaftlicher Wirkung neu positioniert werden muss.

Politische Rahmensetzung und wirtschaftliche Realität: der gif-Researchtag
Der gif-Researchtag zeigte deutlich, wie angespannt die Verbindung zwischen politischen Vorgaben und wirtschaftlicher Machbarkeit derzeit ist. Die Zwischenbilanz nach 205 Tagen neuer Bundesregierung fiel gemischt aus. Zwar wurden mit dem Bau-Turbo, der Reformkommission Mietrecht und verschiedenen Vereinfachungsinitiativen relevante Schritte eingeleitet, doch der Transfer in die operative Praxis bleibt herausfordernd. Genehmigungsprozesse sind weiterhin komplex, die Umsetzung in den Kommunen heterogen, und viele Maßnahmen entfalten noch keine spürbare Wirkung im Markt.
Besonders eindrücklich war die Diskussion über staatlich bedingte Kostenanteile. Rund 37 Prozent der Gesamtkosten eines typischen Mehrfamilienhauses entfallen inzwischen auf Steuern, energetische Anforderungen, technische Standards und kommunale Auflagen. Diese strukturelle Belastung erschwert nicht nur Projektentwicklungen, sondern wirkt direkt auf Themen wie bezahlbaren Wohnraum, Mietentwicklung und Kapitalallokation. Gleichzeitig zeigte sich, dass die Lösung nicht allein in neuen Programmen liegt, sondern in konsistenteren Prozessen, klareren Vorgaben und einer realistischeren Abwägung zwischen Ambitionen und Wirtschaftlichkeit.
Eine weitere zentrale Rolle spielte die Digitalisierung. Die ZIA/EY-Studie machte deutlich, dass trotz hoher Bedeutung die tatsächliche Durchgängigkeit digitaler Datenprozesse gering bleibt. Für Energie- und ESG-Berichterstattung, Quartiersanalysen und kosteneffiziente Bestandsoptimierung wird dies zunehmend zu einem Engpass. Die Diskussionen führten vor Augen, dass regulatorische Anforderungen, Geschwindigkeit und Datenprofessionalität inzwischen untrennbar miteinander verbunden sind.

Wirkung, Räume und soziale Teilhabe: der Abend beim ICG
Während am Nachmittag politische Steuerung und wirtschaftliche Mechanik im Vordergrund standen, rückte das ICG am Abend die gesellschaftliche Verantwortung der Immobilienwirtschaft in den Mittelpunkt. Die Social-Impact-Initiative und die anschließende Preisverleihung zeigten eine Palette von Projekten, die sich mit Fragen beschäftigen, die auch am Nachmittag mitschwingen: Wie entstehen Räume, die soziale Teilhabe ermöglichen? Wie gelingt die Verbindung von wirtschaftlicher Tragfähigkeit und Gemeinwohlorientierung? Und welche Rolle spielt die Branche bei der Entwicklung resilienzfähiger Quartiere?
Die ausgezeichneten Projekte – ob Gewerbecampus, Kultur- und Bildungsstandort oder urbaner Transformationsort – stehen beispielhaft für eine Entwicklung, die weit über klassische ESG-Logiken hinausgeht. Sie zeigen, wie unterschiedlichste Immobilientypologien soziale Wirkung entfalten können: durch Mixed-Use-Strukturen, durch Integration von Arbeits- und Kulturangeboten, durch lokale Wertschöpfung, durch klimagerechte Bauweisen oder durch Bildungsinfrastruktur. Im Kern geht es nicht um Leuchttürme, sondern um die Frage, wie Immobilien zu stabilen, inklusiven und lebenswerten städtischen Ökosystemen beitragen.
Damit verknüpfte das ICG die Diskussionen des Tages mit einem anderen – aber komplementären – Blickwinkel: Immobilien sind immer auch soziale Infrastruktur. Sie prägen Alltag, Nachbarschaften, Integration, Nutzungsmischung und Resilienz. Die Branche gestaltet diese Räume, unabhängig davon, ob sie gewerblich, kulturell oder sozial genutzt werden. Diese Verantwortung war spürbar ein zentrales Motiv der Veranstaltung.
Fazit: Zwei Perspektiven – ein gemeinsamer Handlungsrahmen
In der Zusammenschau der beiden Veranstaltungen zeigte sich ein wesentlicher gemeinsamer Nenner: Die Immobilienwirtschaft lässt sich heute nicht mehr getrennt in „politisch-regulatorische“ und „gesellschaftlich-wirkungsorientierte“ Themen aufteilen. Beide sind Teil desselben Systems. Der politische Rahmen bestimmt, ob Projekte wirtschaftlich tragfähig sind. Gleichzeitig hängt die gesellschaftliche Wirkung der Immobilien direkt von der Fähigkeit ab, urbane Räume verantwortungsvoll, effizient und zukunftsfähig zu entwickeln.
Bezahlbarer Wohnraum, soziale Teilhabe, kulturelle Infrastruktur, wirtschaftliche Tragfähigkeit, Digitalisierung und Klimaziele bilden kein Nebeneinander, sondern ein Geflecht wechselseitiger Abhängigkeiten. Die Diskussionen in Berlin – sowohl am Nachmittag als auch am Abend – machten deutlich, dass die Zukunft der Branche dort liegt, wo politische Anforderungen, ökonomische Vernunft und gesellschaftliche Erwartungen systematisch miteinander verbunden werden.
Für Gunnar Gombert Strategy Consulting bestätigt dieser Tag die Entwicklungsrichtung: Zukünftige Lösungen entstehen dort, wo Regulierung, Wirtschaftlichkeit und soziale Wirkung nicht als Gegensätze, sondern als gemeinsame Rahmung einer modernen Immobilienwirtschaft gedacht werden.


